Leichter ist es, zu schweigen.“
(Aus den Weihnachtshymnen)
Liebe orthodoxe Christen in Deutschland!
„Stille
Nacht! Heilige Nacht!“ So beginnt das berühmteste deutsche
Weihnachtslied, das inzwischen in die meisten Sprachen der Welt
übersetzt worden ist und nahezu überall auf der Welt gesungen wird. Doch
es ist kein Zufall, dass auch die Hymnen und Texte unserer Kirchenväter
uns seit Jahrhunderten dazu anhalten, uns dem Mysterium der Geburt
Christi, die wir heute feiern, schweigend zu nähern.
Gott
wird Mensch - und die Frage, die sich uns in diesem Zusammenhang
stellt, ist einfach: Kann es eine andere Weise der Annäherung an dieses
Ereignis geben als Ehrfurcht und Schweigen? Die Geburt Jesu Christi
bleibt als Ausdruck der Liebe Gottes zum Menschen das Mysterium an sich.
Diese Geburt geschieht ohne irgendeine laute Aufdringlichkeit, im
Rahmen einer Volkszählung und an einem völlig unscheinbaren Ort. Sie
geschah und geschieht unbemerkt von der großen Menge, die das auffällige
Schauspiel dem staunenerregenden Wunder vorzieht. Der Lobpreis der
Engel verliert sich im Lärm einer hastigen Geschäftigkeit. Wir befinden
uns ständig in einer hektischen Betriebsamkeit, um tausenderlei zu
erledigen und zu planen, in einem Umfeld, das sich vor allem für das
Wachstum des Konsums interessiert, der nicht selten zu einer Entleerung
unserer Seele führt. So bleibt uns nicht ein einziger Moment der Ruhe,
um zu vernehmen, dass „Christus heute geboren wird“, also etwas zu
vernehmen, das erschütternder ist als alles, was jemals gehört wurde.
Denn es ist das einzige, das unserem Dasein Bedeutung geben, ihm seine
Härte nehmen und ihm nie gekannte Horizonte der Schönheit eröffnen kann.
Doch
was bedeutet das praktisch? Es ist gewiss, dass die Liebe sich einem
wissenschaftlichen Nachweis oder einer wissenschaftlichen Analyse
verweigert, dass sie sich nicht aufdrängt und auf dem Markt nicht
angeboten wird. Sie lässt sich nicht beweisen, aber sie lässt sich
ertasten. Die Liebe empfangen oder erweisen wir unentgeltlich und
selbstverständlich, denn nur so dürfen wir Menschen heißen und sein.
Meistens verbirgt sich ihre Kraft nicht hinter vielen Worten oder ins
Auge springenden Taten, sondern vielmehr hinter der Einfachheit
aufrichtiger unscheinbarer Gesten, wie z. B. einem herzlichen Lächeln,
einem Händedruck, der diskreten Teilnahme an der Freude oder dem Leid
des anderen, dem verborgenen Gebet für ihn oder der unauffällig
gewährten Hilfe, wenn er in Not ist.
Es
bleibt allerdings eine Frage: Wo finden wir die Kraft, die uns
befähigt, unserem Gott ähnlich zu werden und zu lieben? Die Antwort auf
diese Frage liegt in der Wahl, die wir selber treffen: Lassen wir es zu,
dass Gott in uns Mensch wird, oder nur auf dem Papier einer Krippe
unseres Weihnachtsschmucks? Wenn Gott in unserem Herzen geboren wird,
weil wir zulassen, dass seine Gnade in uns wirkt, erfahren wir die
Veränderung zum Guten. Wir ändern uns. Wir drehen uns nicht mehr nur um
uns selbst und unsere Ansprüche. Wir fühlen dann, dass der Weg zu der
berühmten „Selbstverwirklichung“ nichts als eine Täuschung ist und dass
das Leben in Wahrheit keine egoistische Einbahnstrasse sein kann,
sondern allenfalls eine Kreuzung, wo unsere eigenen Träume und
Sehnsüchte auf jene unserer Mitmenschen treffen. Unser Glück wird
schließlich nach der Qualität unserer Beziehungen zu jenen bemessen, die
bei uns sind, und danach, was wir mit ihnen zu teilen bereit sind.
Ich
lade euch alle dazu ein, heute dem Wunder der Geburt des Gottes der
Liebe mit Staunen und wachsamer Stille zu begegnen. Lasst uns Ihm die
Möglichkeit geben, uns den Frieden zu schenken, uns zu stärken und in
uns den Geist zu erwecken, der uns befähigt, in der Stille wahre Werke
der Liebe zu tun. Auf diese Weise werden wir wahrhaft Weihnachten
feiern, nicht nur am 25. Dezember, sondern an allen Tagen unseres
Lebens. Das ist mein väterlicher Wunsch für uns alle.
Bonn, Weihnachten 2012
In väterlicher Liebe
+ Metropolit Augoustinos von Deutschland
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