22/12/10

Weihnachtsbotschaft des Ökumenischen Patriarchen (2010).

+  B A R T H O L O M A I O S
durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,
und Ökumenischer Patriarch
allem Volk der Kirche Gnade, Friede und Erbarmen
von Christus, unserem in Bethlehem geborenen Erlöser


Geliebte Brüder im geistlichen Dienst, liebe Kinder im Herrn,

inmitten der finsteren Atmosphäre der in letzter Zeit weltweit herrschenden Krise, welche die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Moral und vor allem den Geist betrifft, die soviel Wut, Verbitterung, Verwirrung, Besorgnis, Furcht, Enttäuschung und Zukunftsangst hervorruft, vernehmen wir die wohltuende Stimme der Kirche:


Kommt, Gläubige, lasst uns gottergriffen erhoben werden;
lasst uns schauen, wie Gott sichtbar in Bethlehem
aus der Höhe zu uns herabsteigt …“
(Idiomelon der Sext von Weihnachten)

Es ist der unerschütterliche Glaube der Christen, dass Gott den Weg des nach seinem Bild und Gleichnis von ihm selbst persönlich geschaffenen Menschen nicht von oben herab und teilnahmslos verfolgt. Darum war auch die Menschwerdung seines eingeborenen Sohnes und Wortes von Anbeginn sein „Wohlgefallen“, sein vorrangiger Wille, sein „vorewiger Ratschluss“. Dieser Wille besteht darin, aus dem Übermaß seiner Liebe die von ihm erschaffene menschliche Natur selbst anzunehmen und sie so zu befähigen, „göttlichen Wesens teilhaft“ (2 Petr 1,4) zu werden; und das noch vor dem Fall der Stammeltern, ja noch vor ihrer Erschaffung. Nach dem Fall der Stammeltern schloss der „vorewige Ratschluss“ mit der Fleischwerdung zugleich auch das Kreuz ein, das makellose Leiden, den lebenschaffenden Tod, den Abstieg in den Hades und die Auferstehung nach drei Tagen, so dass die unmerklich eingetretene Sünde, die alles vergiftet hat, und der Tod, der sich heimlich zum Leben gesellt hatte, gänzlich und endgültig beseitigt würden und der Mensch das väterliche Erbe der Ewigkeit uneingeschränkt genießen könne.

Jedoch lässt sich die göttliche Herabkunft von Weihnachten nicht auf die ewigen Dinge beschränken. Sie betrifft auch all das, was mit unserem Weg auf Erden zusammenhängt. Christus ist in die Welt gekommen, um das Reich der Himmel zu verkünden und uns in dieses einzuführen, er ist aber auch gekommen, Wohltaten zu erweisen und die Schwachheit des Menschen zu heilen. Er hat mehrmals auf wunderbare Weise die Scharen der Hörer seines Wortes gesättigt, Aussätzige vom Aussatz gereinigt, Gelähmte aufgerichtet, Blinden das Augenlicht, Tauben das Gehör und Stummen die Sprache geschenkt; er hat die Besessenen von unreinen Geistern befreit, Tote auferstehen lassen; denen, die Unrecht erlitten hatten, und den Vergessenen hat er zu ihrem Recht verholfen; er hat die widerrechtliche Bereicherung, die Unbarmherzigkeit gegenüber den Armen, die Heuchelei und die Willkür in den menschlichen Beziehungen  gebrandmarkt; er hat sich selbst als Vorbild freiwilliger, sich selbst nicht schonender Opferbereitschaft um des Nächsten willen hingegeben.

Vielleicht verdient diese Dimension der Botschaft von der Menschwerdung Gottes am heutigen Weihnachtstag eine größere Beachtung? Viele Mitmenschen und Mitchristen werden von der gegenwärtigen Krise sehr schwer geprüft. Unermesslich sind die Scharen der Arbeitslosen, der Verarmten, der Obdachlosen und der Jugendlichen, die um ihre Träume gebracht sind. Doch „Bethlehem“ heißt „Haus des Brotes“! Wir Gläubigen schulden also allen Brüdern in Not nicht nur das „wesentliche Brot“, also Christus, der zu Bethlehem in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt, sondern auch das tägliche Brot, welches das Überleben sichert, und alles, „was sie zum Leben brauchen“ (Jak 2,16). Jetzt ist die Stunde gekommen, das Evangelium im Bewusstsein der großen Verantwortung, die wir haben, in die Tat umzusetzen! Es ist die Stunde, das Wort des Apostels: „Zeig mir Deinen Glauben ohne die Werke, und ich zeige dir meinen Glauben aufgrund der Werke“ (Jak 2,18) in seiner tiefen Bedeutung und in seinem grundsätzlichen Anspruch neu zu hören. Dies also ist der Moment, „sich gottergriffen“ zur Höhe der Tugend der Liebe „erheben zu lassen“, die uns mit Gott vertraut macht. .

Dieses verkündigen wir den Kindern des Ökumenischen Patriarchates in der ganzen Welt vom durch das Martyrium geprüften Sitz der Kirche der Armen Christi. Auf alle rufen wir die göttliche Entäußerung, das unermessliche Erbarmen, den Frieden und die Gnade des für uns aus dem Heiligen Geist und der Jungfrau Maria Mensch gewordenen eingeborenen Sohnes und Wortes Gottes herab. Ihm sei die Herrlichkeit, die Macht, die Ehre und die Anbetung samt dem Vater und dem Heiligen Geist in Ewigkeit.  Amen.



Phanar, Weihnachten 2010

+ Bartholomaios von Konstantinopel,
euer aller inständiger Fürbitter bei Gott


Weihnachtsbotschaft 2010

des Metropoliten Augoustinos
von Deutschland
Exarchen von Zentraleuropa



„… der für uns und um unseres Heiles willen

von den Himmeln herabgestiegen ist
und Fleisch angenommen hat aus dem Heiligen Geist
und Maria, der Jungfrau, und Mensch geworden ist“

(Glaubensbekenntnis von Nikäa und Konstantinopel)
 
Liebe orthodoxe Christen in Deutschland!
 
Schon seit unseren Kindestagen, seitdem wir also allmählich anfangen, unsere Umwelt zu verstehen, spüren wir, dass der heutige Tag ein besonderer ist. Die Göttliche Liturgie von Weihnachten hat eine eigentümliche Schönheit, und deshalb nehmen wir alle an ihr teil. Das gilt nicht nur für diejenigen unter uns, die der Kirche nahe stehen, sondern sogar auch für diejenigen unter uns, deren Bezug zur Kirche eher formal ist, so dass sie sich damit begnügen, allenfalls zwei- oder dreimal im Jahr einem Gottesdienst beizuwohnen.
 
Ich wage es also zu sagen, dass wir alle zumindest ein Gespür für die Einzigartigkeit dieses Festes der Geburt Christi haben. Voller Ehrfurcht nahen wir uns dem Sohn Gottes, der zu unserer Erlösung aus den Himmeln herabsteigt, sich im Schoß der Allheiligen Fleisch und Gebein annimmt und Mensch wird. Uns erschüttert die Einzigartigkeit des göttlichen Handelns, das uns wahrhaft erlöst, weil es eine Tat der Liebe ist, die darauf abzielt, unsere Gemeinschaft mit dem Quell der Liebe, mit der Heiligen Dreiheit, wieder herzustellen.
 
Ehrfurcht, Staunen und Erschütterung sind Wörter, die unsere Haltung gegenüber dem unvergleichlichen Mysterium der Menschwerdung des Sohnes Gottes trefflich kennzeichnen, einem Mysterium, das der heilige Athanasius der Große etwa so beschreibt: Gott wird Mensch, um den gefallenen Menschen so zu erhöhen, damit er durch Gnade werde, was Gott von Natur ist. Und dennoch! Ich vermute, dass wir oft das Verlangen haben, dieses Mysterium mit den Mitteln unserer Logik zu „erklären“. Aber ist das auch nur denkbar? Und wenn ja, was würde uns das nützen?
In welches Schema könnte denn die Liebe passen? Welche Definition wäre nicht zugleich eine groteske Verzerrung ihres Wesens, wenn wir die Begrenztheit unseres vergänglichen Geistes berücksichtigen? Bedeutet nicht gerade dies die Schönheit der Liebe, dass sie, ohne die Logik aufzugeben, diese übersteigt und die Grenzen unserer Vergänglichkeit für die Unverfügbarkeit und die Unendlichkeit der Gegenwart Gottes sprengt?
 
Die Liebe ist zugleich erklärlich und unerklärlich. Das leuchtet uns ein, wenn wir das Bild eines jeden in der Umarmung mütterlicher Liebe geborgenen Kindes betrachten. Welche Kunst könnte diese Beziehung wechselseitiger Hingabe und Wonne angemessen zum Ausdruck bringen? Ähnlich verhält es sich mit der Realität der Gemeinschaft Gottes mit dem Menschen, die wir im Gottesdienst unserer Kirche erfahren. Denn der Glaube ist nichts anderes als Vertrauen und Gewissheit über das, was wir erhoffen, ohne es zu sehen. Glaube ist die Sehnsucht nach der väterlichen Umarmung Christi und das Vertrauen darauf, dass nur diese unserer Gegenwart Sinn und unserer Zukunft eine dynamische Perspektive gibt – jenseits von Versagen, Irrtum, Krankheit und sogar jenseits des Todes selbst.
 
In  dieser bewegenden Stunde, in der Christus zu Bethlehem geboren wird, rufe ich uns dazu auf, unser Vertrauen auf Gottes Liebe beständig zu erneuern und freudigen Herzens die Gelegenheit zu ergreifen, uns an dieser Schönheit zu erbauen, der einzigen Form von Schönheit, die imstande ist, die Welt wahrhaft zu retten.  
 
 
 
Bonn, Weihnachten 2010
In väterlicher Liebe




+ Metropolit Augustinos von Deutschland

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