von Erzpriester Constantin Miron (Vortrag beim Festakt am 12. Juli 2013 in München)
Nichts
ist schrecklicher, verehrte Festversammlung, als bei einer derartigen
Gelegenheit wie heute, eine jener Festreden zu halten bzw. zu hören, die
ich in einem Ordner mit der Aufschrift „Wikipedia-Reden“ abheften
würde. Der Festredner sammelt eine Menge von Daten, z.B. in der besagten
Online-Enzyklopädie, die er dann seinem Auditorium vorträgt, dessen
eine Hälfte mit den betreffenden Fakten besser vertraut ist als der
Redner selbst, während die andere Hälfte von der Fülle der Informationen
und Jahreszahlen erschlagen und überfordert ist.
Da
ich wusste, dass heute Nachmittag beide Hälften im Auditorium anwesend
sein würden, jene, welche die Geschichte unserer Metropolie geschrieben
und gestaltet haben, und jene, die sich viel bequemer im Internet oder
anderswo über Zahlen, Daten, Namen und Fakten der Griechisch-Orthodoxen
Metropolie von Deutschland informieren können, als dies durch einen
Vortrag möglich ist, war ich auf der Suche nach einem Konzept, wie ich
gewissermaßen einen Sachstandsbericht nach den 50 Jahren unserer jungen
Kirchengeschichte vorlegen könnte, ohne eine Litanei von Zahlen oder
Namen vorzutragen und doch von Anfang an anzufangen.
Wie
könnte man jenes – wie ich meine – doch gottgewollte
Überraschungsmoment beschreiben, mit dem die Mitglieder – Geistliche und
Laien – der Metropolie seinerzeit konfrontiert waren, als sie sich in
einem ganz anderen Land – national, konfessionell und atmosphärisch
gesagt – wiederfanden. Gibt es nicht irgendein Bild, mit dem man dieses
geradezu wundersame Erwachen in dem neuen Land beschreiben könnte?
Wundersam – neues Land? Wunder-Land? Alice im Wunderland! Das war es!
Die kleine Alice landet unerwartet in einer anderen Welt, die ihr
zunächst sehr fremd erscheint...
„Alice
stand mitten in einem langen, niedrigen Saal, der von einer Reihe von
Hängelampen erleuchtet war. Der Saal hatte ringsum lauter Türen, aber
sie waren alle versperrt.“
Beschreibt das nicht auch die Orientierungslosigkeit der griechischen Migranten seinerzeit? Waren sie nicht auf ähnliche Weise in diesem Land gelandet – oder muss ich sagen: gestrandet? – ohne recht zu wissen, wo?
Und
begannen sie nicht ebenso wie Alice, sich dann langsam zurechtzufinden,
versperrte Türen zu öffnen, Antworten auf ihre Fragen zu finden –
manchmal sicherlich auch mit überraschendem Ergebnis: „Hierzulande musst du so schnell rennen wie du kannst, wenn du am gleichen Fleck bleiben willst“ heißt es in „Alice hinter den Spiegeln“, dem zweiten der Alice-Bücher Lewis Carrolls.
Will
sagen: Hier, in diesem Land, herrschen andere Regeln, im Umgang
miteinander, die es zu erlernen und zu beherrschen gilt. Haben die
orthodoxen Griechen nun die Spielregeln dieses Landes gelernt? Wo stehen
wir heute? Versuchen wir also eine Bestandsaufnahme:
Die
Zeiten, in denen der Bahnhof der Treffpunkt der Griechen hierzulande
war, jener authentische Ort, wo man Griechen wahrnehmen konnte, so als
wären sie in diesem Augenblick erst angekommen, oder als wollten sie
sich selbst noch einmal vergewissern, auf welchem Gleis der
Akropolis-Express abfährt, der sie wieder nach Hause bringt,
die
Zeiten, in denen Bücher etwa mit dem Titel „Na, immer noch hier?!“
erscheinen konnten, nein, erscheinen mussten, um die deutsche
Wohnbevölkerung für die Fragen von Arbeitsmigration zu sensibilisieren,
die
Zeiten, in denen die Menschen, die man in der Diktion jener Zeit als
„Gastarbeiter“ bezeichnete, nach diversen Kategorien aufgeteilt,
unterschiedlichen Wohlfahrtsverbänden zugeteilt wurden, damit sie
„betreut“ würden,
die Zeiten, in denen es politisch höchst unkorrekt, ja verdächtig klang, von Deutschland als „Einwanderungsland“ zu sprechen,
sind vorbei.
Diese
Zeiten sind vorbei und die Griechen sind in der Mitte der Gesellschaft
angekommen, es fehlt lediglich der Nachweis eines griechischstämmigen
Kanzlerkandidaten oder zumindest eines entsprechenden
Parteivorsitzenden, letzteres gibt es ja bekanntlich bereits aus dem
Kreise der ostägäischen Nachbarn. (Immerhin ist es vor einigen Jahren ja
gelungen, den schönen griechisch-phanariotischen Familiennamen
Ypsilanti in der deutschen Politik zu etablieren – durch den so
genannten Ypsilanti-Effekt und das Ypsilanti-Syndrom – selbst wenn seine
Namensträgerin nicht Griechin ist und auch der Vorgang als solcher
nicht sehr schmeichelhaft ist. Auch ansonsten sind die griechischen
Namen in der deutschen Politik derzeit nicht unbedingt positiv besetzt.
So müssen wir uns halt – immer noch – mit den Klatschspalten der bunten
Blätter begnügen und führen die ewige Vicky Leandros oder Linda Zervakis
als Zeugen für gelungene Integration an...)
Wenn wir gerade bei Syndromen sind: Selbst in die Medizin ist der Name des Romans eingegangen: Das Alice-im-Wunderland-Syndrom
bezeichnet – laut Wikipedia (!) – eine Erkrankung, bei der Patienten
sich selbst oder ihre Umgebung in veränderter Weise, oft verkleinert
oder vergrößert, wahrnehmen.
Hat
es diese verfremdete Wahrnehmung nicht auch gegeben? Ich meine hier
nicht den vielfach zitierten Irrglauben, dass die Arbeitsmigration –
etwa der Griechen nach Deutschland – eine vorübergehende Erscheinung
sei, die nach ein paar Jahren Geschichte geworden sei. Sie wissen schon:
die Juden sagen seit 2000 Jahren „nächstes Jahr in Jerusalem!“ und die
Griechen in Deutschland sagten vor 50 Jahren „in zwei Jahren sind wir
zurück in Griechenland!“ Heute sagen sie es nicht mehr... Die Zeiten
sind vorbei...
Nein,
ich meine nicht die Fremdwahrnehmung der Migranten, sondern ihre
Selbstwahrnehmung. Ich zitiere noch einmal Alice, wie sie mit einem
Vogel, dem Marabu, spricht: „Ja,
es kam sogar zu einem längeren Wortwechsel zwischen ihr und dem Marabu,
der schließlich mürrisch wurde und nichts mehr anderes sagte als: ‚Ich
bin älter als du und muß es also besser wissen.“
Kommt
Ihnen das nicht bekannt vor? Hören Sie da, verehrte Damen und Herren,
nicht auch einen gewissen, auch in orthodoxen Kreisen durchaus möglichen
Dünkel heraus. Jedes Mal, wenn ich – wie heute auch – durch die
Sicherheitskontrollen am Flughafen gehe, meine ich in den Mienen der
Kontrolleure das Grübeln, welcher der großen monotheistischen Religionen
ich wohl angehöre, wenn ich so aussehe, wie ich aussehe, zu entdecken.
Ich denke dann immer an die Szene, als ein – unlängst verstorbener –
ehemaliger Metropolit von Deutschland an einem dieser Kontrollpunkte zu
seinem damaligen Vikarbischof sagte: „Sag Ihnen, ich bin der
Metropolit“, was wohl heißen sollte, ‚mich braucht man nicht zu
kontrollieren’. Die Antwort, die der Beamte dem gehorsamen Vikarbischof
gab, der das Ansinnen des Metropoliten weiterleitete, ist auch
überliefert: „Und ich bin der Kaiser von China!“ Ich erinnere mich aber
auch an die große Kennerin und bekennende Liebhabern der Orthodoxie,
Fairy von Lilienfeld, Theologieprofessorin an der Evangelischen Fakultät
in Erlangen, die mir mal sagte: „Ich hörte den Ausführungen eines
jungen Archimandriten aus Griechenland zu, der seit zwei Wochen in
Deutschland war und mir den deutschen Protestantismus erklärte.
Schlimmer als die Fehlinformationen, die er mitgebracht hatte, war nur
noch die Aufgeblasenheit, mit er sie vortrug.“
Es
war gut, dass Fairy von Lilienfeld, wie gesagt, eine Freundin des
Dialogs war und diese und andere Enttäuschungen wegstecken konnte.
Freunde des Dialogs waren auch alle vier Metropoliten, die hier Dienst
taten und tun. Wie haben sie ihre Enttäuschungen weggesteckt?
Bei
ihrem Gang durch das Wunderland gelangt Alice in einen Raum, in dem
drei Gestalten (der Hutmacher, der Schnapphase und die Haselmaus) an
einem großen gedeckten Tisch sitzen. Ich zitiere: „Der Tisch war
schon eher eine Tafel, doch saßen alle drei eng zusammengedrängt in
einer Ecke. ‚Besetzt! Besetzt!’ riefen sie, als sie Alice näher treten
sahen.“
Bei
einem Rückblick auf die Geschichte der Metropolie darf man,
insbesondere am heutigen Tag, auch analoge Erfahrungen der Anfangsjahre
nicht verschweigen, welche die Orthodoxen immer wieder machten. Manches
Mal wurde der orthodoxe Neuling, der – sozusagen „schillernd“ (Friedrich
Schiller) auftrat: „Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der
Dritte...“ – einfach als
zu schillernd empfunden. Denn bei den ökumenischen Partnern, ich nenne
keine Namen und sage einfach „der Hutmacher, der Schnapphase und die
Haselmaus“ stellte sich die Frage: Wie kann eine Kirche, deren
Hauptzweck darin zu bestehen scheint, lange und unverständliche
Gottesdienste zu halten, ein ebenbürtiger Partner in der Ökumene sein?
Orthodoxie ist doch eine Mischung aus Selbstverliebtheit,
Frauenfeindlichkeit und Mittelalter. (Metropolit Augoustinos würde an
dieser Stelle bemerken: Harnack lebt immer noch!):
Man könnte die Reihe der Urteile – oder darf man auch sagen: Vorurteile – jener Jahre beliebig fortsetzen.
Wichtig für uns heute ist aber doch die Frage, wie ist man damit umgegangen: „‚Besetzt!
Besetzt!’ riefen sie, als sie Alice näher treten sahen. ‚Von besetzt
kann doch gar keine Rede sein!’ sagte Alice empört und setzte sich in
einen großen Sessel am Tischende.“Ich weiß nicht, ob Empörung die richtige Bezeichnung für den Umgang der
orthodoxen Partner mit dieser Situation ist, ich würde eher von
Pragmatismus sprechen. ‚Von besetzt kann doch gar keine Rede sein!’
sagten die Orthodoxen pragmatisch und setzten sich ans Tischende dazu.
Denn das, was mir jener unvergessene Stadtdechant vor 30 Jahren bei
meiner Vorstellung in der Ökumene sagte: „Eines müssen Sie wissen, Sie,
die Orthodoxen, sind hier nur Zaungäste in der Ökumene!“ gilt nicht
mehr.
Diese Zeiten sind vorbei...
Die
Ökumene hat sich verändert, unsere Partner haben sich verändert, auch
wir haben uns natürlich verändert: Alice formuliert es so: „Aber wenn
ich nicht mehr dieselbe bin, muß ich mich doch fragen: Wer in aller
Welt bin ich denn dann? Ja das ist das große Rätsel!“
Eine
der großen Chancen der Ökumene für uns Orthodoxe selbst war, dass wir
uns die Frage stellen mussten und der Frage stellen mussten: wer sind
wir?
Dies
mussten und müssen wir im hiesigen Kontext immer wieder neu
beantworten. Und es gilt täglich: wir müssen sein, was wir sind.
Authentizität unseres Kirche-Seins bedeutet: Sein und Schein müssen
übereinstimmen. Man muss es ja nicht so sehr komplizieren, wie es die
Herzogin im Wunderland tut: „Ich bin ganz deiner Meinung“, sagte die
Herzogin; „und die Moral davon ist: ‚Scheine, was du bist, und sei, was
du scheinst’ – oder einfacher ausgedrückt: ‚Sei niemals ununterschieden
von dem, als was du jenen in dem, was du wärst oder hättest sein können,
dadurch erscheinen könntest, dass du unterschieden von dem wärst, was
jenen so erscheinen könnte, als wärst du anders!“
Was
die Identität der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland
betrifft, ist ein ganz erstaunliches Phänomen zu konstatieren:
Jahrelang, jahrzehntelang waren wir die Kleinen im ökumenischen Kontext:
Zuerst gab es die beiden großen, erfahrenen, etablierten Kirchen, dann
kam lange nichts und dann kam die Metropolie. Inzwischen ist unsere
Existenzweise „ungetrennt und unvermischt“ insbesondere durch die
Gründung der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland (OBKD) auch
eine gesamtorthodoxe geworden. In der Bischofskonferenz wiederum waren
wir auf einmal die Großen, die Erfahrenen, ja, vielleicht sogar die
etwas Etablierten. Alice sagt: „es ist sehr verwirrend, an einem Tag so viele verschiedene Größen zu haben.“
Alice fragt also: „Wer in aller Welt bin ich denn dann? Ja das ist das große Rätsel!“ Und wir Orthodoxen fragen mit: Ja, wer in aller Welt sind wir die
Orthodoxen hierzulande? Sind wir eine Kirche? Wir behaupten ja und sehen
dabei ein wenig aufmüpfig in die Gesichter jener, die das Gegenteil
behaupten: „Ihr seid so etwas wie die GEKE (Gemeinschaft der
Evangelischen Kirchen in Europa – für die Nicht-Evangelischen und
Nicht-Ökumeniker unter Ihnen). Ihr seid GOCKEL! (Soll heißen:
„Gemeinschaft der Orthodox-Christlichen Kirchen eines Landes“). Nein,
krähen wir, wir sind keine Gockel, wir sind eine Kirche. Unsere
Mutterkirchen haben eine pragmatische Lösung für die real existierende
Situation des Miteinanders unterschiedlicher orthodoxer Diözesen
gefunden. Bei uns nennt man den Vorgang, wenn die Kirchenrechtler über
ihren eigenen Schatten der Paragraphentreue und der Gesetzlichkeit
springen, um zu versuchen dem Herrn in seiner Heilsökonomie
nachzufolgen, der am Sabbat heilt, um den Menschen zu helfen; also nennen wir das KAT’ OIKONOMIAN (gemäß der Oikonomia).
Das
Gesetz, also die Kanones sagen in diesem Fall: eine Stadt bzw. ein Land
- ein Bischof. Die Realität sagt: es gibt z. Z. 10 sich überlappende
Diözesen mit insgesamt 17 Bischöfen in Deutschland. Also wurde, um den
Menschen zu helfen, 2010 die OBKD gegründet, welche die Aktivitäten der
einzelnen Diözesen verbindet – „verlinkt“ würde man heutzutage sagen -,
ohne deren Existenz und Selbständigkeit in Frage zu stellen.
Natürlich
feiern wir heute ein Jubiläum der Griechisch-Orthodoxen Metropolie,
trotzdem muss die OBKD hier so explizit erwähnt werden. Denn inzwischen
gilt nicht nur: ohne die Metropolie kann man sich die OBKD nicht
vorstellen, auch umgekehrt lässt sich sagen: ohne die OBKD kann man sich
auch die Metropolie nicht denken. Das liegt, so meine ich, an der
panorthodoxen Vision aller ihrer Metropoliten, die sich bereits lange
vor der Gründung der Bischofskonferenz die Sorgen nicht nur der
Griechen, sondern auch arabischer, rumänischer, deutscher, georgischer
und anderer orthodoxer Gläubigen zu eigen machten.
Wo stehen wir heute? Wie soll es jetzt weitergehen? Alice fragt: „Würdest
du mir bitte sagen, wie ich von hier aus weitergehen soll?’ ‚Das hängt
zum großen Teil davon ab, wohin du möchtest’, sagte die Katze. ‚Ach,
wohin ist mir eigentlich gleich--’ sagte Alice. ‚Dann ist es auch egal,
wie du weitergehst’, sagte die Katze. ‚– solange ich nur irgendwohin
komme’, fügte Alice zur Erklärung hinzu. ‚Das kommst du bestimmt’, sagte
die Katze, ‚wenn du nur lange genug weiterläufst.’“
Nein,
so stellen wir uns unsere Zukunft nicht vor; einfach irgendwohin weiter
laufen. Das reicht nicht. Seien wir konkret: wie stellen wir uns die
Zukunft der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland vor?
Erstens:
Wir werden hier bleiben. Die Koffer sind ausgepackt. Der
Akropolis-Express ist abgefahren. Die Juristen nennen das „Gewähr der
Dauer“, wenn den orthodoxen Diözesen der Körperschaftsstatus verliehen
wird.
Zweitens:
Unsere Zukunft wird panorthodox sein. Dies deutete ich bereits an. Und
gleichzeitig sind wir uns unserer jeweiligen nationalen und kulturellen
Wurzeln bewusst. Dies ist unser lebensnotwendiges Erbe, das wir deshalb
nicht ausschlagen, und es ist ein Pfund mit dem wir wuchern.
Drittens:
Unsere Existenz wird weiterhin nicht in einem Ghetto stattfinden. Wir
werden kein Provisorium sein, in dem Sinn, dass wir uns als Edward
Snowdens der Christenheit wie Transitpassagiere ohne
Aufenthaltsperspektive hier aufhalten werden. Nein, wir sind lokale
Kirche an diesem Ort, an den uns die Güte Gottes gebracht hat.
Dies
bedeutet viertens: wir werden eine missionarische Kirche sein. Ich
meine damit nicht eine Proselyten suchende und machende Institution,
sondern eine Kirche, die eine Mission hierzulande hat, die Mission
nämlich Zeugnis von der Wahrheit und von der Liebe abzulegen.
Fünftens:
wir werden eine buchstabierende Kirche sein. Nun solange die
Theologiestudentinnen und -studenten in aller Welt, also auch in
Deutschland, sich noch mit dem Erlernen des Griechischen plagen müssen,
können wir ihnen helfen. Denn wir sind mit der Semantik dieser Sprache
vertraut, mit den Begriffen MARTYRIA, LEITOURGIA, DIAKONIA, aber auch
KOINONIA, METANOIA, OIKONOMIA (ich erwähnte diesen Begriff bereits).
Sechstens:
wir werden weiterhin Brückenbauer sein, hier, innerhalb dieses Landes,
aber auch von hier in unsere ursprünglichen Heimatländer. Wussten Sie,
dass es außerhalb Deutschlands mindestens 12 orthodoxe Bischöfe gibt,
die als Laien oder als Geistliche früher zur Griechisch-Orthodoxen
Metropolie von Deutschland gehört haben? Nicht nur diese Bischöfe,
vielmehr alle, die das Leben unserer Metropolie geteilt haben, sind
potenzielle Multiplikatoren der Ausstrahlung unserer Kirche.
Und
siebtens: wir werden natürlich weiterhin eine dienende Kirche sein.
„Wohnstatt Gottes bei den Menschen“ gefällt mir als Vision und Auftrag: –
eben: bei den Menschen. Denn die Kirche des Pomps, des Prunks und des
Pathos in der Stimme waren wir nicht und wir werden es auch nicht mehr.
Die Zeiten sind vorbei.
Auch meine Redezeit ist vorbei.
Sie
haben es selbst gemerkt: Allzu hilfreich war die Idee mit „Alice im
Wunderland“ nicht. Hier könnte ich deshalb aufhören, muss aber doch auf
eine überraschende Tatsache hinweisen. Bei meinen Recherchen über
Charles Lutwidge Dodgson, wie der eigentliche Name von Lewis Carroll,
dem Autor der beiden „Alice“-Bücher, ist, erfuhr ich, dass er nicht nur
Mathematik-Dozent, sondern auch Diakon der anglikanischen Kirche war und
dass er in seinem ganzen 66-jährigen Leben nur eine einzige
Auslandsreise gemacht hat, die ihn nach Russland führte! Und was glauben
Sie, war der Zweck der Reise? Die Begegnung mit der Orthodoxen Kirche!
(Es ging um die anglikanisch-orthodoxe Annäherung.) Und auch darüber hat
er ein Buch geschrieben: das „Russian Journal“[13] Ein Kritiker schreibt darüber: „Aus der Sicht
der Literaturgeschichte, ist das ‚Russian Journal’ (1867) von Lewis
Carroll wie der Käse in einem Doppel-Sandwich platziert – zwischen
‚Alice im Wunderland’ (1865) und ‚Alice hinter den Spiegeln’ (1871).
Wenn man dies weiß, wird man als Leser eigentlich in diesem Buch die
wunderbaren Abenteuer von Carroll im Land, das so wenig Ähnlichkeit mit
England hat, erwarten. Doch erfährt man in dem Tagebuch schwerlich
irgendwelche abenteuerlichen Absichten des Autors (er springt nicht in
Löcher, er geht nicht auf dem Kopf und spricht nicht mit Raupen). In
jeder Zeile ist er nur ein zurückhaltender Beobachter. Formal ist es
Dodgson, der gereist ist – nicht Carroll, – ein Oxforder Lehrer der
Mathematik, ein spiritueller Mensch.“
Es
wäre deshalb einen eigenen Vortrag wert, Ihnen die diesbezüglichen
Notizen von Carroll (und die seines Reisebegleiters Reverend Henry
Liddon, der ein eigenes Tagebuch mit durchaus anderen Akzenten
geschrieben hat) zu präsentieren. Lassen Sie mich deshalb zum Schluss
nur ein einziges – aber m. E. bezeichnendes – Zitat aus dem Reisebericht
von Lewis Carroll vortragen, das dann doch mit unserer
Standortbestimmung zu tun hat.
Er schreibt nach einem Gottesdienstbesuch in der Isaaks-Kathedrale in St. Petersburg: „Die
Kleider der ministrierenden Geistlichen waren prachtvoll, und die
Prozessionen und der Weihrauch erinnerten mich an die katholische Kirche
in Brüssel, aber je mehr man von diesen prachtvollen Gottesdiensten mit
ihrem starken Appell an die Sinne sieht, desto mehr, denke ich, lernt
man den schlichten, einfachen (aber meiner Meinung nach viel
wirklicheren) Gottesdienst der englischen Kirche schätzen.“[15]
Da
haben wir sie wieder, diese bereits erwähnte Betrachtungsweise des
orthodoxen Gottesdienstes. Und doch: wenn ich mir die heutige
Hochachtung nicht-orthodoxer Besucher, die an orthodoxen Gottesdiensten
teilnehmen, oder die Begeisterung etwa bei der Feier der Artoklasie auf
dem Odeonsplatz im Mai 2010, ins Gedächtnis rufe, dann gilt - wie gesagt
- für diese Art der Betrachtung: diese Zeiten sind vorbei!
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